Unsere dritte Etappe auf dem GR 221 soll uns vom Landgut Ses Fontanelles bis zum kleinen Dorf Estellencs führen. Ein Unwetter auf dem Gebirgsrücken zwingt uns zur schweren Entscheidung.
🕗 Dauer:
ca. 4-5 h
🥾 Länge:
ca. 12 km
⛰ Höhenmeter:
↗ 610 m ↘ 760 m
Als wir aufwachen, prasselt leichter Regen auf das Dachfenster der Finca Ses Fontanelles*. Wir checken unsere Wetter-App und atmen auf, als diese uns voraussagt, dass die Regenwolken bald weiterziehen sollen. Unserer Wanderung nach Estellencs steht erstmal nichts im Wege – denken wir.
Unten wartet bereits das angerichtete Frühstück auf uns. Wir kommen gerade noch rechtzeitig an den Tisch, um die Käseplatte vor der frechen Katze zu retten. Der Wirt Patrick gesellt sich zu uns.
Wir unterhalten uns über die geplante Strecke und die fragwürdige Wetterlage. Als wir ihn nach seiner Meinung fragen, schaut dieser kritisch gen Himmel und dann hinüber zum Gipfel, den Moleta de s’Esclop, welcher auf unserer Wanderroute liegt. Wir beobachten wie sich die ersten Nebelschwaden darüber legen. “Ganz ehrlich?” sagt er schließlich und schaut ins unsere erwartungsvollen Augen, “Ich würde es nicht machen.”
Schade. Aber ausgerechnet diese besondere Etappe der Wanderung auszulassen sei mindestens genauso schade, meint er dann. Wir finden einen Kompromiss: bis zum Zaun seines Grundstücks, etwa eine Stunde von hier, können wir es versuchen und notfalls an diesem Punkt noch umkehren, sollte es wettertechnisch noch ungemütlicher werden.
So ziehen wir los. Bei leichtem Regen, noch angenehmen Temperaturen und moderatem Wind. Wir sind ja schließlich nicht zum Spaß hier und klamottentechnisch sind wir für ein solches Wetter ausgestattet – dachten wir zu diesem Zeitpunkt. Den Einstieg zum Wanderweg müssen wir dieses Mal nicht lange suchen. Da der GR 221 unmittelbar über das Grundstück der Finca führt, gibt es nur eine Richtung: den dschungelartigen Pfad hinauf zum Bergpass.
Die erste halbe Stunde kommen wir gut voran. Trotz des sanften Regens ist unsere Stimmung sehr positiv. Ein bisschen stolz, dass wir uns nicht von der Witterung haben einschüchtern lassen, schlagen wir uns durch die hüfthoch zugewachsenen Trails, unsere Augen mittlerweile trainiert auf die akribische Suche nach versteckten Steinmännchen, die einzige Wegmarkierung hier un der einzigen Anhaltspunkt dafür hinter welchem Busch sich der Pfad weiter den Berghang entlang schlängelt oder im Nirgendwo endet.
In weiter Ferne sehen wir zwei andere Wanderer, die sich auf abenteuerliche Weise eine recht steile Passage durchs nasse Gebüsch den Hang hinauf durchschlagen. Offenbar haben sie eines der Steinmännchen verpasst oder sich von einem der zahlreichen alten Ziegenpfade irreleiten lassen. Das kann nicht der angenehmste Weg sein, denken wir, schauen bei der nächsten Abzweigung doppelt hin und entdecken tatsächlich ein kaum sichtbares, umgestürztes Steinmännchen hinter einem dichten Strauch. Fast wären wir auf demselben unwegsamen Pfad gelandet. Glück gehabt.
Es riecht nach Rosmarin. Ich bekomme Hunger. Wir folgen unseren Nasen und finden ein paar Meter weiter einen riesigen wilden Strauch Rosmarin. Mit seinen zwei Metern Durchmesser ist es sicher der größte, den ich je gesehen habe. Wir klemmen uns einen kleinen Rosmarinzweig an unseren Rucksack für’s Aroma. Wer weiß, vielleicht finden wir noch Kartoffeln. Und einen Ofen.
Uns kommen Bergziegen entgegen. Wir wollen hoch, sie wollen runter. Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Wir erfahren es in dem Moment als wir den Bergrücken erreichen. Wind peitscht uns ins Gesicht, der Regen nimmt zu. Vielleicht ein guter Moment für eine erste Rast. Unter einem Baum finden wir Schutz und beschließen zumindest das Gröbste abzuwarten. Ein Blick auf den Regenradar unserer Wetter-App stimmt uns optimistisch. Das Unwetter soll bald vorbeigezogen sein.
Wir warten. Und warten. Der Regen wird heftiger, der Wind nimmt zu, Nebel zieht auf. Den Gipfel können wir längst nicht mehr sehen. Wir ziehen uns wärmer an, werden jedoch immer nasser und kühlen weiter aus. Unser Baum kann zwar etwas Wind abhalten, aber nicht wirklich den Regen. Es vergeht eine weitere volle Stunde.
Nass bis auf die Knochen beschließen wir umzukehren. Auch eine solche Erfahrung gehört dazu, wenn man das Abenteuer sucht. Beim Abstieg machen wir langsam. Die Steine sind durch den Dauerregen relativ rutschig. Wir erreichen den Hof der Anlage Ses Fontanelles. Zwei Stunden, nachdem wir hier losgezogen sind, sind wir wieder am Anfang.
Der Wirt Patrick empfängt uns in Gummistiefeln und Regenschirm. Wir trinken einen heißen Kaffee und er erzählt, dass die anderen Gruppen lange vor uns umgekehrt und wieder hier vorbeigekommen sind. Sie versuchen die Etappe um das Gebirge herum zu nehmen entlang der Landstraße bis nach Estellencs. Dafür sind wir zu nass und erschöpft. Er organisiert uns ein Taxi.
Etwa eine Stunde später stehen wir vor unserer heutigen Unterkunft, dem Petit Hotel Sa Plana* in Estellencs. Definitiv eines der schönsten Hotels auf unserer gesamten Tour. Wir beziehen unser großzügig geschnittenes Zimmer im Bauernstil. Während ich meine nasse Kleidung aufhänge, kommt Jules freudestrahlend aus dem Badezimmer: Es gibt eine Badewanne!
Wir gönnen uns ein heißes Bad. Nach den Strapazen der ersten Tageshälfte genau das richtige, um zu entspannen und wieder zu Kräften zu kommen. Wir wollen uns danach nur kurz ins Bett legen, dösen aber sofort ein.
Als wir aufwachen, zwei Stunden später, scheint die Sonne. Der Himmel ist blau, der Regen hat sich verzogen, die Palmen vor unserem Fenster wehen sanft im Wind. Wir nutzen die Zeit bis zum Abendessen für einen Spaziergang und wollen den Ort kennenlernen.
Estellencs
ⓘ Das malerische Dorf Estellencs liegt an den Hängen des Galatzó, zwischen Andratx und Banyalbufar. Nur erreichbar über eine abenteuerliche Fahrt durch die Berge verspricht der verträumte Ort Ruhe und Tradition fernab des Massentourismus. In dem kleinen Dorf lassen sich verschiedene gut erhaltene Bauten aus früheren Epochen bestaunen, wie die Pfarrkirche Sant Juan Baptista aus dem 17. Jahrhundert oder der Wehr- bzw. Glockenturm Tem Alemany aus dem 16. Jahrhundert.
Estellencs ist ein süßer, verträumter Ort. Wir laufen einmal durch den Ortskern und halten Ausschau nach etwas Essbarem. Leider schließt unserer favorisiertes Lokal gerade und so gehen wir zu dem einzigen anderen geöffneten Restaurant. Wir sitzen auf der Terrasse mit wundervollem Blick über Estellencs bis zum Meer. Wir bestellen ein paar Tapas. Die Portionen fallen allerdings recht groß aus. Möglicherweise bereuen wir das spätestens beim Abendessen, welches aus 3 Gängen bestehen wird.
Zurück zum Hotel führen wir ein paar Telefonate, um über unseren misslungenen Tag zu reden. Die Zimmer im Hotel wurden nach den verschiedenen mallorquinischen Windrichtungen benannt – eine sehr schöne Idee. Unser Zimmername lautet Xaloc, der Südostwind. Die heutige Tour hat uns allerdings Llebeig vermasselt.
Die Winde Mallorcas Wie es oft im Mittelmeerraum üblich ist, hat auch Mallorca den verschiedenen Winden Namen gegeben. Llevant - Ost Migjorn - Süd Ponent - West Tramuntana - Nord Mestral - Nordwest Gregal - Nordost Llebeig - Südwest Xaloc - Südost
Abends sitzen wir auf der wunderschönen Terrasse zum Sonnenuntergang und genießen ein fabelhaftes 3-Gänge-Menü. Wir werden vom Inhaber bedient, der ein echtes Original ist. Er sorgt bei allen Gästen für gute Laune und einem Lächeln auf den Lippen. Als Vorspeise gibt es eine typische mallorquinische Gemüsesuppe – die beste, die wir je gegessen haben. Als Hauptgang gab es eine Hähnchenkeule mit Backobst. Eine unüblich Kombination für uns, aber sehr harmonisch, leicht und natürlich lecker. Zum Nachttisch gibt es noch eine Mascarponecreme mit Erdbeeren.
Absolut voll gefressen und ausgelaugt fallen wir ins Bett und schlafen sofort ein. Wir hoffen auf besseres Wetter für die morgige Etappe. Diese hält einen märchenhaften Wald und ein verträumtes Fischerdorf für uns bereit.
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